Donnerstag, 25. Januar 2007

Appetitzügler Knie-OP

Das menschliche Knie (articulatio genus) ist vielen Anthropologen zufolge eine Fehlkonstruktion. Das finden nicht nur Anthropologen und Orthopäden, sondern auch Menschen wie ich, die es einerseits betrübt, dass man das Kniegelenk nicht wie bei Barbiepuppen um 90 Grad nach oben knicken kann (übrigens eine Tätigkeit, der ich als Zehnjährige mit besessener Leidenschaft nachgegangen bin, weil es kaum ein schöneres Geräusch gab als das Knacken der Barbie-Gelenke), und Menschen wie ich, die Menschen mit Knie-OPs am Tag der OP zur Hand zu gehen gebeten wurden. Zu einem funktionsfähigen Kniegelenk gehören Minisken, die kaputt gehen können und wie ein zerfleddertes Segel im Knie herumflattern, weil man zu viele Kniebeugen auf Ex gemacht hat oder während seiner Bundeswehrzeit in Pumps (weil noch nicht geoutet) am Querfeldeinlauf mit Sturmgepäck teilgenommen hat. Das Resultat ist fatal, man wird operiert. An sich nicht schlimm, wäre da nicht die Drainage am ersten Tag, ein Gewirr an kleinen Gummischläuchen, die unter einem Verband aus dem Nichts zu kommen scheinen und mit einer roten Flüssigkeit gefüllt sind. Diese Schläuche münden in einer Art Behältnis, das wie ein Mini-Benzinkanister aussieht und an seiner Oberseite eine Vielzahl von verschiedenenfarbigen Stutzen aufweist. In diesem Kanisterlein befindet sich, ich erwähnte das schon, eine rote Flüssigkeit, die sich, unterlässt man es, sie kontinuierlich zu schütteln, in Schichten absetzt. Das Rot hat Ähnlichkeit mit meiner Küchenarbeitsplatte oder mit der Banderole meiner Schoko-Duftkerze. Schüttelt man diese Flüssigkeit, bildet sie Blasen wie ein Alka Selzer in einem Wasserglas. Ich stelle mich vor, dass ich diese Flüssigkeit trinken muss und für wie viel Geld ich das tun würde. Frau K. kennt diese Gedankenspielchen sicher. Ich verwerfe diesen infantilen Einfall und frage mich, warum ich mir immer solche Fragen stelle. Das ist ekalhaft und nicht altersgemäß. Ich werfe einen erneuten Blick auf das rote Etwas mit zähplastischer Konsistenz. Es ist inzwischen leicht koaguliert und setzt sich an der Innenseite als dünner Film ab. Zu Schulzeiten bin ich bei der Vorführung von lehrreichen Filmen im Biologieunterricht regelmäßig ohnmächtig geworden und vom Stuhl gefallen. Der dumpfe Aufschlag wurde meist nur lapidar von der Lehrerin mit "Des woa nua die Tracksdorf" quittiert, und als die Mäusenieren schließlich mit einer Metallklammer gestaut wurde, hatte ich bereits zwei Hyperventilationsanfälle hinter mir. Ich kann kein Blut sehen, auch nicht in Minikanistern. Ich werde nie wieder Menschen mit Knie-OPs hüten können. Ich habe Schmerzen im Knie und mir wird schlecht. Na bravo.

Montag, 22. Januar 2007

Taschenverklemmung bei Windstärke 25

Jetzt ist er rum ums Eck, der Orkan. Und genau so jäh nimmt auch die zwischenmenschliche Kommunikation ab. Selten haben mir wildfremde Menschen anlässlich einer Naturkatastrophe so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Mitleidig sahen mich Passanten an, als ich wutentbrannt versuchte, bei Windstärken um die 25 meine übermäßig schwere Notebooktasche aus dem Auto zu hieven, die sich zwischen dem parkenden Nachbarsauto und meiner Nackenstütze im Auto verklemmt hatte. Doch, das geht, glaubt mir!!! Wenn man dann noch versucht, die Autotür nur so weit offen zu halten, dass sie nicht mit voller Wucht aus der Verankerung gerissen wird, wird dies zum kniffligen Unterfangen. Wenn dann noch Tipps von grenzdebilen, vorbeischlendernden Gassigehern kommen, während ich mörderisch entnervt versuche, meine inzwischen befreite Tasche über meine Schultern zu schleudern, ohne dabei die Windschutzscheibe meines Nachbarn zu treffen und ohne mir Gedanken zu machen, wie diese Situation ausfallen würde, hätte ich noch PMS, ist sowieso der Tag gelaufen. Zitat: "Mei, schaun's bloß zu, (zuschauen??) dass eahna Baby net wegfliagt!" Gemeint war damit nicht mein 3 Monate alter Säugling im Kinderwagen, den ich unachtsam unter einem ungesicherten Fassadengerüst abgestellt hatte, sondern mein Auto, ein Smart. Was fange ich mit so einem Rat an? Was? Dass man billige, hässliche Pseudo-Lifestyleautos bei frischen Frühlingsbrisen am Bordstein festketten sollte? Dass Hundehalter von Exemplaren unter einem Stockmaß von 14 cm nur eine Gehirnzelle besitzen?

Kurzum, mein Baby hat den Sturm überlebt, der folgende Einkauf bei Tengelmann war angesichts von fehlenden Kunden in dieser Filiale ein wahres Vergnügen, ich leide an PMS und der umsichtige Hundebesitzer kann froh sein, dass ich meinen Lieblingsrüden nicht auf ihn hetze.

Sonntag, 7. Januar 2007

Mit Roger W. an der Isar

Winterspaziergänge bei blühenden Geranien in der Palmstraße sind phantastisch. Wagt man sich etwas weiter, landet man am Isarufer, wenn man Glück hat, in Begleitung eines Hundebesitzers wie es Herr M. ist. Das ist mir heute widerfahren, und ich irre mich nicht, wenn ich behaupte, das Themenspektrum war heute besonders groß, das Gesprächsthemenspektrum meine ich damit, nicht das Verhaltensspektrum des Hundes. (Letzteres war eher ambitioniert-konditioniert). Man gräbt längst überholte, über die Maßen redundante Themen aus wie den Darmpolypen von Susan Stahnke, taucht in die hohen Weihen der Bloggerwelt ein und fragt sich, ob es einem je gelingen wird, beachtet zu werden.

Das Beste an so einem Spaziergang allerdings sind die Menschen, die einem begegnen. Verlasse ich meine eigenen vier Wände, erlebe ich draußen oftmals folgendes Phänomen: Ich sehe Menschen, die ich aus der Medienwelt kenne. Nein, das ist jetzt falsch formuliert. Ich glaube nur, sie zu sehen. Neulich stand ich mit Chris Martin von Coldplay an Münchens ältestem Stand'l an der Isar. Mich überrascht das inzwischen nicht mehr. Heute, zum Beispiel, kam mir Roger Willemsen entgegen, und ich dachte mir, Mensch, der hat aber die Ruhe weg so kurz vor seinem Auftritt heute Abend im Lustspielhaus. Und das gibt mir Sicherheit. So konnte auch ich beruhigt nach Hause gehen und den lieben Gott einen langen Tag sein lassen - oder so ähnlich.

Samstag, 6. Januar 2007

Leena Lehtolainen

Paradise Is exactly like Where you are right now Only much much Better. I saw this guy on the train And he seemed to gave gotten stuck In one of those abstract trances. And he was going: "Ugh...Ugh...Ugh..." And Fred said: "I think he's in some kind of pain. I think it's a pain cry." And I said: "Pain cry? Then language is a virus." Language! It's a virus! Language! It's a virus! Well I was talking to a friend And I was saying: I wanted you. And I was looking for you. But I couldn't find you. I couldn't find you. And he said: Hey! Are you talking to me? Or are you just practicing For one of those performances of yours? Huh? Language! It's a virus! Language! It's a virus! He said: I had to write that letter to your mother. And I had to tell the judge that it was you.

Mein erster Eintrag in meinen eigenen Blog. Es ist noch nicht lange her, da wusste ich noch nicht mal, was ein Blog ist. Es ist beschämend kurz her, um ehrlich zu sein. Ich musste auch wieder meinen Freund Marc, dem ich das alles zu verdanken habe, fragen, wie ich denn nun loslegen kann. Wo klicken? Ach ja, auf "Anmelden". Ich vergaß. Warum ist Sprache ein Virus? Na weil Marc sich diesen Titel ausgedacht hat. Laurie Anderson. Ich bin zu spät geboren. Neben Laurie Anderson findet man in einem Hit des Rowohlt-Verlags Leena Lehtolainen und eine Anleitung zum sozialen Lernen für Paare. Es wird mir doch endlich gelingen, eine Verbindung zwischen Laurie, Leena und soziales Lernen für Paare herzustellen. Vielleicht über die Sprache, die mich seit Jahren begleitet, die mich nährt, wärmt, wundern und verzweifeln lässt. Manchmal, aber nur manchmal, berührt sie mich, erfreut sie mich. Ich übersetze. Beruflich. Ich tue das nicht, weil mich schon als Kind der leidenschaftliche Wunsch begleitet hat, Erdachtes anderer Menschen in einer anderen Sprache wiederzugeben. Von wegen. Ich habe lediglich die Einschreibung für Theaterwissenschaften und Germanistik an der Uni verpasst. Und dann habe ich mich treiben lassen. Ich war infiziert. Besessen davon, Dinge zu ergründen. Wer ist Leena Lehtolainen? Die finnische EU-Ratsvorsitzende? Die Chefin der Ikea-Filiale in Helsinki? Die Thekendame in der Bar am Yachthafen von Kasnäs? Eine Sängerin, die wunderbar melancholische Lieder über trinksüchtige Taxifahrer singt, die ihren Job in der Fischfabrik in einem finnischen Nest verloren haben und sich nach ihrer ersten Liebe vom Polarkreis sehen? Nein. Darüber würde der Rowohl-Verlag niemals ein Buch veröffentlichen. Solche Lieder hört man nur in finnischen Bussen, wenn der Busfahrer ausnahmsweise mal nüchtern ist. Und ich muss es wissen. (Marc hat mir auch erklärt, dass ich an dieser Stelle das Wort "Bussen" markieren und einen Hyperlink einfügen könnte, zum Beispiel zum Busfahrplan des Busses von Helsinki nach Taalintehdas, aber er sagte auch, ich solle mich davor hüten, unsinnige Links einzubinden. Das sei müßig. Ja, das hat er gesagt.) Aber wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei Leena, mit doppeltem "e". Mit Dehnungs-"e" sozusagen, was eigentlich überflüssig ist, weil Lena mit nur einem "e" genau so ausgesprochen werden würde wie Leena mit zwei "e"s. Aber der Finne liebt Redundanz. Wenn auch nicht in seinen Filmen. Aber das ist ein anderes Thema. Ich muss mich davor hüten, zu viel zu schreiben, denn es könnte den Leser langweilen. Und fehlerfrei muss es auch nicht sein, sagt Marc. Marc sagt auch, dass die meisten Menschen gar nichts zu sagen haben und sich deshalb ihre Blogs nur langsam füllen. Kann mir nicht passieren. Ich verspreche auch, mich mit dem Thema "soziales Lernen" näher zu beschäftigen, wenn ich herausgefunden habe, wer Frau Lehtolainen ist. Frau Lehtolainen könnte auch die einzige Paartherapeutin nördlich des Polarkreises sein, die zwar gerne einen über den Durst trinkt, dafür aber wirklich gute Tipps für diejenigen parat hält, die sich damit tragen, ihre Schlittenhunde Schlittenhunde sein zu lassen und sich in südlichere Gefilde zu begeben, wo die Dunkelheit nicht an der Seele nagt. I was looking for you, Leena. But I couldn't find you. I couldn't find you. Ich werde dich finden, glaub mir.